Amorgos – die karge Schöne
der Kykladen
Man findet sie nicht
in den meisten Katalogen der Reiseveranstalter mit Ausnahme von Attika-Reisen
und sie ist auch wenig bekannt: Amorgos, einer der kleinen Kykladen, wie
die Griechen sie nennen. Dabei ist sie gar nicht mal so klein, sondern
erstreckt sich über eine Länge von rund 28 km Luftlinie, aber
die Breite beträgt zwischen nur 2.5 und maximal 10 km.
Die großen Fähren laufen Amorghos nicht so oft an wie die bekannteren
Kykladen-Inseln Mykonos, Santorin, Paros und Naxos – daher sind
auch die Touristenströme mehr auf diese Inseln fixiert, zumal weiterhin
Santorin und Mykonos von Deutschland direkt mit den Chartermaschinen angeflogen
werden.
Wer jedoch dem üblichen Touristenrummel ein wenig aus dem Weg gehen
möchte, ist auf dieser Insel gut aufgehoben. So mehren sich jedes
Jahr Neugierige, die alle übrigen Inseln schon kennen und die Andersartigkeit
dieser Insel suchen.
Es
gibt hier keine Tempel oder sonstigen archäologischen Attraktionen,
aber kleine Dörfer mit freundlichen Bewohnern, wunderbare Wanderwege
und besonders im Frühjahr wie jetzt Mitte Mai eine bezaubernde Natur
voller Farben und Blütenduft. Wer nur auf einen Badeurlaub aus ist,
ist auf Amorghos ebenfalls fehl am Platz, denn die wenigen gut erreichbaren
Strände gruppieren sich um die beiden Hafenstädte. Weitere Strände
findet man nur an weniger zugängigen Stellen über steile Pfade
und unter abfallenden Felsen.
Unserer Hotel liegt im Südosten der Insel, hoch über der Bucht
von Aigiali, einem der beiden Häfen der Insel. Der kleine Ort Tholaria
weist neben einer großen Kirche (s. unten links) nur wenige Häuser
und nur drei bis vier Tavernen je nach Jahreszeit auf.
Unsere
liebenswerten Wirtsleute Stefanos und Irini betreiben das Hotel „Vigla“
seit rund 10 Jahren. Vom Balkon aus hat man eine phantastische Sicht auf
den kleinen Hafen von Aigiali und den auf der anderen Seite des grünen
Tales liegenden Nachbarort Langada. Die weiss gestrichenen Häuser
bilden wie überall auf den Kykladen einen malerischen Kontrast zur
grünen Landschaft oder zur kargen felsigen Umgebung. Ferner blickt
man auf den Krikelos, den höchsten Berg von Amorgos, auf dessen 821
Meter hohen Gipfel einige alte Mühlenruinen stehen und der über
einen einigermaßen begehbaren Pfad bestiegen werden kann.
Morgens erlebt man Geräusche, die man in unseren Breiten in dieser
Kombination kaum noch zu Gehör bekommt:
Als natürliche Symphonie – das Krähen der Hähne,
das Gurren der Tauben, das Tschilpen der Spatzen und als Dreingabe das
jämmerliche Schreien eines Esels.
Eine reiche Insel
ist Amorgos nie gewesen. Landwirtschaft fand nur unter grossen Mühen
statt, die meisten Anbauflächen waren terrassiert und erlaubte den
Besitzern ein bescheidenes Einkommen. Viele Inselbewohner wanderten daher
aus und suchten woanders eine neue Bleibe und ein besseres Auskommen.
Inzwischen sind die meisten traditionellen Terrassen, von den früheren
Besitzern mühevoll angelegt, verlassen und unbebaut. Man setzt auf
den Tourismus in der Saison von Anfang Mai bis Ende Oktober. Im Winter,
wenn die rauhen Winde der Ägäis über die Insel fegen, zieht
es viele Pensions- und Hotelbesitzer nach Athen.
Eines der Hauptprobleme wie auch auf anderen Inseln auch, ist das Wasser.
Besonders wenn der Winter regenarm war, sind die Zisternen besonders der
Bergdörfer leer und es herrscht grosse Knappheit. Man muss dann Wasser
in Kanistern aus den tiefer gelegenen Orten zum Teil mit dem Esel hochtransportieren.
Und wenn gar nichts mehr läuft, ist man auf das Wasserschiff aus
Piräus angewiesen, das aber noch anderen Inseln zu Hilfe kommen muss.
Daher ist Wassersparen auch für die Touristen zu empfehlen.
Fast
in der Mitte der Insel liegt der Hauptort Chora, aus Furcht vor Seeräubern
und Piraten hoch oben auf dem Bergkamm angesiedelt. Mitten aus dem Ort
heraus ragt ein Fels, auf dem früher einmal ein venezianisches Kastell
lag. Das Städtchen ist durchzogen von kleinen, meist mit Treppen
versehenen Gässchen, die für das Auge eine wahre Freude und
für den Fotofreund eine Unzahl von Motiven bieten. Das strahlende
Weiss der meisten Häuser mit ihren blauen Türen und Fensterrahmen
bietet einen starken Kontrast zu den vielen unrestaurierten und zerfallenen
Hausruinen. Doch überall zeigt sich Aufbruch – man hat nachgerade
das Gefühl, als seien die Griechen auf den Kykladen die Hautabnehmer
für weisse Farbe.
In den schattigen Gässchen – glücklicherweise für
den Autoverkehr gesperrt – laden kleine gemütliche Cafés
und Tavernen zum Verweilen ein. Man sollte sich ein wenig Zeit zum Durchbummeln
nehmen.
In der Nähe von Chora befindet sich die wohl bekannteste Sehenswürdigkeit
von Amorgos und der interessanteste Klosterbau der Ägäis, das
Kloster Chozoviótissa. Eine schmale Stichstrasse führt hinab,
den Rest muss man über eine steile Treppe zu Fuss gehen. Das Kloster
selbst liegt, weiss gekalkt, eindrucksvoll als Wehrkloster gegen die vielen
Piratenüberfälle in die Felswand hineingebaut.
Heutzutage
leben nur noch drei Mönche im Kloster. Einer von ihnen achtet streng
auf die Etikette: Männer in kurzen Hosen und Frauen in Shorts und
knappen Oberteil werden zurückgewiesen. Ein zweiter Mönch wartet
in der kleinen Kirche und erklärt den interessierten Touristen, auf
deren Obolus das Kloster angewiesen ist, einiges zum Kloster. Rechts vor
der Altarwand hängt als grösstes Heiligtum die mit Silberblech
überzogene Ikone der Panaghia Chozoviótissa. Nach der Überliefeung
wurde sie von Mönchen, die aus Palästina zu Beginn des 9. Jahrhunderts
aus dem Kloster Choseva fliehen mußten und die sich hier auf Amorghos
ansiedelten, mitgebracht. Die vielen Votivgaben zeugen von ihrer Heilungskraft
bzw. von den vielen Heilungswünschen kranker Griechen.
Der zweite Mönch hat gerade etwas Zeit – auch Mönche haben
Mitteilungsbedürfnisse – und setzt sich eine Weile zu uns,
während wir ein Gläschen Klosterlikör und ein Glas Wasser
geschenkt bekommen. Als Missionar hat mit seinen 54 Jahren er in Afrika,
in Neuseeland, in Australien und in vielen Teilen der Welt gearbeitet
und vor allem geholfen. Und was ihn so sympathisch macht – einen
kleinen Schuss Humor bringt er ebenfalls mit.
Unterhalb von Chora liegt die südliche Hafenstadt Katápola
– eines der drei Touristenzentren, wenn man es einmal vorsichtig
übertreibend so bezeichnen kann. Windgeschützt in einer Bucht
ist der Hafen umgeben von Pensionen, Tavernen und Cafés. Gegenüber
auf der anderen Seite der Bucht im kleinen Ort Xilokeratidi liegen ebenfalls
einige Tavernen, von denen uns die Taverne „Psaropoula“, unter
Tamarisken gelegen, den besten Eindruck machte.
Weiter im Südwesten wird es einsamer, man findet nur wenige Touristen,
erkenntlich an den Leihwagen. Ein schöner Sandstrand am Ende der
Insel ist jedoch windig und verschmutzt.
Zurück wieder in den Nordosten, in das Hafenstädtchen Aigiali.
Hier findet man eine Reihe von Tavernen und Cafés, von denen sich
einige am sog. „Sunset-Boulevard“ befinden.
Ein schöner Sandstrand mit flach abfallendem Wasser liegt in der
Hafenbucht.
Für
die Wanderer gibt es einen herrlichen Wanderweg, der die drei Orte Tholaria,
Langada und Aigiali erfaßt. Von Tholaria aus führt er am Berg
entlang, dann durch eine Blütenpracht. Besonders die unzähligen,
gelb leuchtenden Ginsterbüsche strömen jetzt im Mai einen berauschenden
Duft aus. Unterwegs leuchtet in strahlendem die Kirche Weiss mit blauer
Kuppel Epanochoriani. Wenn man Glück hat und der freundliche Besitzer
des Hauses nebenan ist da, kann man die Kirche auch besichtigen. Auf zementiertem
Weg oder etwas beschwerlicher über einen Pfad kommt man in das Örtchen
Langada. Hier lohnt sich die Einkehr in Nikos’ Taverne, denn er
versucht auch, der normalen griechischen Küche einen anderen Anstrich
zu geben.
Auf einem Pflastersteinweg geht es dann bergab nach Aigiali. Zurück
nach Tholaria geht es entweder mit dem Bus (fährt einige Male am
Tag) und wieder etwas schweisstreibend auf einem Pfad bergauf.
Die schwierigen Wege bringen es mit sich, dass der Esel noch immer ein
viel verwendetes „Fortbewegungsmittel“ ist. Die Trittsicherheit
der Tiere ist immer wieder erstaunlich. Manolis, einer der Bewohner von
Tholaria, taufte seinen Esel sogar Perikles - wenn der das wüsste
! Unbedingt ratsam ist das Mitnehmen einer Kamera, denn gerade am frühen
Morgen bis mittags bieten sich so viele reizvolle Motive zum Festhalten.
Insgesamt gesehen
ist Amorgos für viele, die bereits etliche andere Inseln der Ägäis
kennen, so etwas wie ein Geheimtip. Nach unserer Meinung ist man im östlichen
Teil besser aufgehoben. Von dort aus kann man den Rest der Insel mit dem
Mietwagen oder dem Bus erkunden.
Manolis mit seinem Esel Perikles
|
Hafen von Aigiali - im Hintergrund oben
links das kleine Örtchen Tholaria
|
Pflügen
mit Esel und Maultier -
wie vor vielen
Jahren
|
Dr. Dietrich Volkmer
Reiseführer:
Die beste Wahl für die Kykladen insgesamt ist der Reiseführer
von Eberhard Fohrer, erschienen im Michael Müller Verlag, ISBN 3-89953-139-6
Uns lag die letzte Ausgabe von 2003 vor.
Strassenkarten für die Insel findet man auf Amorghos in jedem Supermarkt
Hoteladresse:
Hotel Vigla, Tholaria, Tel 0030 22850 73288 / 73005 / 73004,
E-Mail vigla.hotel@amorgos.net Internet http://vigla-hotel.amorgos.net
Reiseveranstalter:
Attika-Reisen, München www.attika.de
Weitere lesenswerte
Literatur des Verfassers (Nähere Informationen unter www.drvolkmer.de
unter Literatur)
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Abschied
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In diesem Buch setzt sich der Autor mit den verschiedenen Theorien
über die Entstehung unseres Universum auseinander, mit den Schöpfungsmythen
der antiken Völker sowie der Schöpfungsgeschichte der Bibel
und versucht vor allem, den wissenschaftlichen Anspruch eines „Urknalls“
etwas in Frage zu stellen.
Erschienen bei Books on Demand, 2006,
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Tagebücher
vom Nil
Echnaton, Nofretete, Teje
Ein Muss für alle Ägypten-Interessierten >>> |
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