Dr. Dietrich Volkmer
 


 
  

Amorgos – die karge Schöne der Kykladen

Man findet sie nicht in den meisten Katalogen der Reiseveranstalter mit Ausnahme von Attika-Reisen und sie ist auch wenig bekannt: Amorgos, einer der kleinen Kykladen, wie die Griechen sie nennen. Dabei ist sie gar nicht mal so klein, sondern erstreckt sich über eine Länge von rund 28 km Luftlinie, aber die Breite beträgt zwischen nur 2.5 und maximal 10 km.
Die großen Fähren laufen Amorghos nicht so oft an wie die bekannteren Kykladen-Inseln Mykonos, Santorin, Paros und Naxos – daher sind auch die Touristenströme mehr auf diese Inseln fixiert, zumal weiterhin Santorin und Mykonos von Deutschland direkt mit den Chartermaschinen angeflogen werden.
Wer jedoch dem üblichen Touristenrummel ein wenig aus dem Weg gehen möchte, ist auf dieser Insel gut aufgehoben. So mehren sich jedes Jahr Neugierige, die alle übrigen Inseln schon kennen und die Andersartigkeit dieser Insel suchen.
Es gibt hier keine Tempel oder sonstigen archäologischen Attraktionen, aber kleine Dörfer mit freundlichen Bewohnern, wunderbare Wanderwege und besonders im Frühjahr wie jetzt Mitte Mai eine bezaubernde Natur voller Farben und Blütenduft. Wer nur auf einen Badeurlaub aus ist, ist auf Amorghos ebenfalls fehl am Platz, denn die wenigen gut erreichbaren Strände gruppieren sich um die beiden Hafenstädte. Weitere Strände findet man nur an weniger zugängigen Stellen über steile Pfade und unter abfallenden Felsen.
Unserer Hotel liegt im Südosten der Insel, hoch über der Bucht von Aigiali, einem der beiden Häfen der Insel. Der kleine Ort Tholaria weist neben einer großen Kirche (s. unten links) nur wenige Häuser und nur drei bis vier Tavernen je nach Jahreszeit auf.
Unsere liebenswerten Wirtsleute Stefanos und Irini betreiben das Hotel „Vigla“ seit rund 10 Jahren. Vom Balkon aus hat man eine phantastische Sicht auf den kleinen Hafen von Aigiali und den auf der anderen Seite des grünen Tales liegenden Nachbarort Langada. Die weiss gestrichenen Häuser bilden wie überall auf den Kykladen einen malerischen Kontrast zur grünen Landschaft oder zur kargen felsigen Umgebung. Ferner blickt man auf den Krikelos, den höchsten Berg von Amorgos, auf dessen 821 Meter hohen Gipfel einige alte Mühlenruinen stehen und der über einen einigermaßen begehbaren Pfad bestiegen werden kann.
Morgens erlebt man Geräusche, die man in unseren Breiten in dieser Kombination kaum noch zu Gehör bekommt:
Als natürliche Symphonie – das Krähen der Hähne, das Gurren der Tauben, das Tschilpen der Spatzen und als Dreingabe das jämmerliche Schreien eines Esels.

Eine reiche Insel ist Amorgos nie gewesen. Landwirtschaft fand nur unter grossen Mühen statt, die meisten Anbauflächen waren terrassiert und erlaubte den Besitzern ein bescheidenes Einkommen. Viele Inselbewohner wanderten daher aus und suchten woanders eine neue Bleibe und ein besseres Auskommen. Inzwischen sind die meisten traditionellen Terrassen, von den früheren Besitzern mühevoll angelegt, verlassen und unbebaut. Man setzt auf den Tourismus in der Saison von Anfang Mai bis Ende Oktober. Im Winter, wenn die rauhen Winde der Ägäis über die Insel fegen, zieht es viele Pensions- und Hotelbesitzer nach Athen.
Eines der Hauptprobleme wie auch auf anderen Inseln auch, ist das Wasser. Besonders wenn der Winter regenarm war, sind die Zisternen besonders der Bergdörfer leer und es herrscht grosse Knappheit. Man muss dann Wasser in Kanistern aus den tiefer gelegenen Orten zum Teil mit dem Esel hochtransportieren. Und wenn gar nichts mehr läuft, ist man auf das Wasserschiff aus Piräus angewiesen, das aber noch anderen Inseln zu Hilfe kommen muss. Daher ist Wassersparen auch für die Touristen zu empfehlen.

Fast in der Mitte der Insel liegt der Hauptort Chora, aus Furcht vor Seeräubern und Piraten hoch oben auf dem Bergkamm angesiedelt. Mitten aus dem Ort heraus ragt ein Fels, auf dem früher einmal ein venezianisches Kastell lag. Das Städtchen ist durchzogen von kleinen, meist mit Treppen versehenen Gässchen, die für das Auge eine wahre Freude und für den Fotofreund eine Unzahl von Motiven bieten. Das strahlende Weiss der meisten Häuser mit ihren blauen Türen und Fensterrahmen bietet einen starken Kontrast zu den vielen unrestaurierten und zerfallenen Hausruinen. Doch überall zeigt sich Aufbruch – man hat nachgerade das Gefühl, als seien die Griechen auf den Kykladen die Hautabnehmer für weisse Farbe.
In den schattigen Gässchen – glücklicherweise für den Autoverkehr gesperrt – laden kleine gemütliche Cafés und Tavernen zum Verweilen ein. Man sollte sich ein wenig Zeit zum Durchbummeln nehmen.
In der Nähe von Chora befindet sich die wohl bekannteste Sehenswürdigkeit von Amorgos und der interessanteste Klosterbau der Ägäis, das Kloster Chozoviótissa. Eine schmale Stichstrasse führt hinab, den Rest muss man über eine steile Treppe zu Fuss gehen. Das Kloster selbst liegt, weiss gekalkt, eindrucksvoll als Wehrkloster gegen die vielen Piratenüberfälle in die Felswand hineingebaut.
Heutzutage leben nur noch drei Mönche im Kloster. Einer von ihnen achtet streng auf die Etikette: Männer in kurzen Hosen und Frauen in Shorts und knappen Oberteil werden zurückgewiesen. Ein zweiter Mönch wartet in der kleinen Kirche und erklärt den interessierten Touristen, auf deren Obolus das Kloster angewiesen ist, einiges zum Kloster. Rechts vor der Altarwand hängt als grösstes Heiligtum die mit Silberblech überzogene Ikone der Panaghia Chozoviótissa. Nach der Überliefeung wurde sie von Mönchen, die aus Palästina zu Beginn des 9. Jahrhunderts aus dem Kloster Choseva fliehen mußten und die sich hier auf Amorghos ansiedelten, mitgebracht. Die vielen Votivgaben zeugen von ihrer Heilungskraft bzw. von den vielen Heilungswünschen kranker Griechen.
Der zweite Mönch hat gerade etwas Zeit – auch Mönche haben Mitteilungsbedürfnisse – und setzt sich eine Weile zu uns, während wir ein Gläschen Klosterlikör und ein Glas Wasser geschenkt bekommen. Als Missionar hat mit seinen 54 Jahren er in Afrika, in Neuseeland, in Australien und in vielen Teilen der Welt gearbeitet und vor allem geholfen. Und was ihn so sympathisch macht – einen kleinen Schuss Humor bringt er ebenfalls mit.
Unterhalb von Chora liegt die südliche Hafenstadt Katápola – eines der drei Touristenzentren, wenn man es einmal vorsichtig übertreibend so bezeichnen kann. Windgeschützt in einer Bucht ist der Hafen umgeben von Pensionen, Tavernen und Cafés. Gegenüber auf der anderen Seite der Bucht im kleinen Ort Xilokeratidi liegen ebenfalls einige Tavernen, von denen uns die Taverne „Psaropoula“, unter Tamarisken gelegen, den besten Eindruck machte.
Weiter im Südwesten wird es einsamer, man findet nur wenige Touristen, erkenntlich an den Leihwagen. Ein schöner Sandstrand am Ende der Insel ist jedoch windig und verschmutzt.
Zurück wieder in den Nordosten, in das Hafenstädtchen Aigiali. Hier findet man eine Reihe von Tavernen und Cafés, von denen sich einige am sog. „Sunset-Boulevard“ befinden.
Ein schöner Sandstrand mit flach abfallendem Wasser liegt in der Hafenbucht.
Für die Wanderer gibt es einen herrlichen Wanderweg, der die drei Orte Tholaria, Langada und Aigiali erfaßt. Von Tholaria aus führt er am Berg entlang, dann durch eine Blütenpracht. Besonders die unzähligen, gelb leuchtenden Ginsterbüsche strömen jetzt im Mai einen berauschenden Duft aus. Unterwegs leuchtet in strahlendem die Kirche Weiss mit blauer Kuppel Epanochoriani. Wenn man Glück hat und der freundliche Besitzer des Hauses nebenan ist da, kann man die Kirche auch besichtigen. Auf zementiertem Weg oder etwas beschwerlicher über einen Pfad kommt man in das Örtchen Langada. Hier lohnt sich die Einkehr in Nikos’ Taverne, denn er versucht auch, der normalen griechischen Küche einen anderen Anstrich zu geben.
Auf einem Pflastersteinweg geht es dann bergab nach Aigiali. Zurück nach Tholaria geht es entweder mit dem Bus (fährt einige Male am Tag) und wieder etwas schweisstreibend auf einem Pfad bergauf.
Die schwierigen Wege bringen es mit sich, dass der Esel noch immer ein viel verwendetes „Fortbewegungsmittel“ ist. Die Trittsicherheit der Tiere ist immer wieder erstaunlich. Manolis, einer der Bewohner von Tholaria, taufte seinen Esel sogar Perikles - wenn der das wüsste ! Unbedingt ratsam ist das Mitnehmen einer Kamera, denn gerade am frühen Morgen bis mittags bieten sich so viele reizvolle Motive zum Festhalten.

Insgesamt gesehen ist Amorgos für viele, die bereits etliche andere Inseln der Ägäis kennen, so etwas wie ein Geheimtip. Nach unserer Meinung ist man im östlichen Teil besser aufgehoben. Von dort aus kann man den Rest der Insel mit dem Mietwagen oder dem Bus erkunden.


Manolis mit seinem Esel Perikles

Hafen von Aigiali - im Hintergrund oben
links das kleine Örtchen Tholaria

Pflügen mit Esel und Maultier -
wie vor vielen Jahren

Dr. Dietrich Volkmer

Reiseführer:
Die beste Wahl für die Kykladen insgesamt ist der Reiseführer von Eberhard Fohrer, erschienen im Michael Müller Verlag, ISBN 3-89953-139-6
Uns lag die letzte Ausgabe von 2003 vor.
Strassenkarten für die Insel findet man auf Amorghos in jedem Supermarkt

Hoteladresse: Hotel Vigla, Tholaria, Tel 0030 22850 73288 / 73005 / 73004,
E-Mail vigla.hotel@amorgos.net Internet http://vigla-hotel.amorgos.net

Reiseveranstalter: Attika-Reisen, München www.attika.de

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