Dr. Dietrich Volkmer


 
Kos
 

Zu den Wurzeln europäischer Heilkunst

Es scheint sich um ein besonders kreatives Fleckchen der Menschheitsgeschichte zu handeln – dieses Areal in der östlichen Ägäis, das der humanistisch gebildete Autor Peter Bamm so treffend als die Küsten des Lichts bezeichnet hat.
Das Alte Ägypten hatte seinen Höhepunkt schon längst überschritten und zehrte im Grunde wenig fortschrittlich nur von seiner Vergangenheit.
Aber hier, auf den Inseln und dem kleinasiatischen Festland, entstand eine neue Kultur, die mt dem klaren Logos der Grundstein unserer westlichen Kultur werden sollte.
Einer der grössten Dichter der Weltgeschichte, Homer, hat offenbar hier gelebt; um seinen Geburtsort streiten sich noch immer die Gelehrten und vor allem die Städte oder Inseln. Es war ungefähr um 800 v. Chr. Zweihundert Jahre später wurde auf der Insel Lesbos die Dichterin Sappho geboren.
Heraklit und andere Vorsokratiker gaben sich hier ein Stelldichein. Die Liste liesse sich weiter fortsetzen, aber unser Augenmerk gilt dem Ursprung eines verantwortlichen ärztlichen Handelns.

In früheren Zeiten waren Gesundheit, Krankheit und Tod Zustände menschlichen Da- und Hier-Seins, die von Göttern gelenkt und gesteuert wurden. Der Mensch als ohnmächtiges Wesen konnte sich nur durch Opfer die Gunst der Götter "erkaufen", aus gesundheitspolitischer Sicht eine wichtige erzieherische Maßnahme, denn durch das Opfer mußte der kranke Mensch etwas von sich hergeben, das ihm nicht immer leicht fiel. Aber es bestand ein direkter Bezug zwischen seinem So-Sein und der Gabe an die Übermenschlchen.

Die heutige anonyme, wenn auch schmerzliche Abgabe an den Sozialstaat und die Einführung des Verantwortungsabschiebebillets, genannt Krankenschein, lassen beim Kranken der Jetztzeit derartige Gedanken kaum noch aufkommen.


Zum Leben von Hippokrates
Der berühmteste Arzt der Antike wurde als Sohn eines Arztes ca 460 v.Chr. auf der Insel Kos geboren und starb um 377 v. Chr. in der mittelgriechischen Stadt Larissa.

Über sein Leben ist nicht viel bekannt, zumindest gibt es keine direkten authentischen Berichte über ihn. Zwar erwähnt ihn Platon in zwei Werken, aber erst rund 500 Jahre nach dem Tod des Hippokrates schreibt ein griechischer Arzt namens Soranos von Ephesos seine Lebensgeschichte, offenbar aus mündlich überlieferten Fragmenten zusammengestellt.
Er ist augenscheinlich ein Arzt gewesen, der viel in Kleinasien unterwegs war, die kranken Menschen studierte und sein Wissen auf der Insel Kos an Schüler weitergab. Ob der berühmte Eid, der weiter unten aufgeführt ist, überhaupt von ihm stammt, ist nicht ganz unumstritten.

Das entscheidende seiner Lehre ist aber die Abkehr von der bisherigen Ansicht der Krankheitsgründe. Nicht allein die Unbill der Götter schien verursachend zu sein, sondern auch im Lebensumfeld der Menschen mussten Auslöser aufzufinden zu sein. Die bis in diese Zeit überkommenen magisch-religiösen Vorstellungen passten irgendiwe nicht mehr ganz in das Bild der neuen Denkansätze, in die rationale Aspekte eingeflossen waren.

Neben einer Opferung an die Götter kam die Anregung der Selbstheilungskräfte des Patienten hinzu, also eine Art Vorläufer einer ganzheitlich ausgerichteten Kur, nicht dieser modernen Entartung von Kur, die viele Menschen nur als Urlaub ohne innere Einbindung betrachten.

Gesundheit im Sinn der Lehre des Hippokrates beruht auf der harmonischen Mischung der vier Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle. Eine Störung des Mischungsverhältnisses dieser vier Säfte führte zur Krankheit. Diese uns etwas altmodisch erscheinende Theorie (es war immerhin die erste ihrer Art) hielt sich bis ins Mittelalter.

Der Eid des Hippokrates

Ich schwöre beim Apollon, dem Arzt und bei Aesculap und der Hygeia und bei allen Göttern und Göttinen, die ich zu Zeugen anrufe, daß ich diesen meinen Eid nach meinen Kräften und nach meiner Meinung innehalten werde. Meinen Lehrer, der mir diese Kunst beigebracht hat, gleich meinen Eltern zu schätzen und dessen männliche Nachkommen werde ich als Brüder betrachten.
Ich schwöre, diese Kunst und sämtliche meine ärztlichen Kenntnisse, wenn es von mir verlangt wird, weiter zu lehren, ohne Bezahlung oder Vereinbarung.
Ebenfalls an alle jene, die den Eid des Arztes geschworen haben und an sonst niemanden anderen.
Ich schwöre, nach meinen Kräften und nach meinem Urteil die ärztlichen Kenntnisse zum Wohle der Leidenden anzuwenden und so wie ich es für richtig halte, und daß ich vermeiden werde, irgend jemandem Schaden zuzufügen oder Unrecht anzutun.
Ich schwöre, niemandem ein todbringendes Medikament auszuhändigen, auch wenn er es verlangt, auch nicht ein solches Medikament zu verschreiben.
Ebenfalls schwöre ich, keiner schwangeren Frau ein Abtreibungsmittel zu geben.
Ich schwöre, mein Leben rein zu halten und meine Kunst ebenfalls.
Ich schwöre, dass ich keine Kastrierung mache, auch wenn man das von mir verlangt. Diese Arbeit werde ich Handlangern überlassen.
Ich schwöre, keine Handlung vorzunehmen, weder bei Frauen noch bei Männern, weder bei Freien noch bei Sklaven, die ihnen schaden sollte.
Was ich während der Dauer der Behandlung hören oder sehen sollte, ja sogar auch außerhalb der Behandlung und beim täglichen Leben der Menschen, darüber werde ich schweigen und dies für immer geheim halten. Ich werde mich niemals auf diese berufen.
Dieser Eid, den ich einhalten werde und den ich nicht übertreten werde, möchte ich als Begleiter meines ganzen Lebens und meiner Kunst haben, damit ich von allen Menschen anerkannt und geschätzt werde.
Sollte ich jedoch diesen Eid übertreten und nicht beachten, so soll ich mit dem Gegenteil bestraft werden.

Übersetzung durch einen griechischen Verlag

Antike Stätten der Heilung
Asklipios ist der griechische Gott der Heilkunst, die Römer nannten ihn später Äskulap. Er war ein Sohn des Lichtgottes Apoll und einer Sterblichen namens Koronis. Ein Centaur namens Chiron wies ihn in die Heilkünste ein. Überall in Griechenland waren dem Gott Heiligtümer gewidmet, zu denen die Kranken und Hilfesuchenden strömten.

Eines der bekanntesten steht auf der Insel Kos. In der griechischen Zeit war es mehr eine Art heilige Kurstätte, wie es bereits beschrieben ist. In römischer Zeit wurde es zum mondänen Bad, in das man ging, um zu sehen und gesehen zu werden. Im Jahr 554 n. Chr. wurden die Tempelanlagen durch ein schweres Erdbeben zerstört.
Im Jahre 1902 entdeckte der deutsche Archäologe Rudolf Herzog die Überrreste des Asklipions unter dem Schutt der Jahrhunderte.

An diesem Samstagmorgen mitten Oktober herrscht prächtiges Wetter, der berühmte blaue Himmel der Ägäis spannt sich auf. Diese frühe Morgenstunde bringt es mit sich, daß erst wenige Touristen unterwegs sind, so daß wir die beeindruckende Anlage des Heiligtums ohne allzu störende Menschenmassen geniessen können. Allein der Anfahrtsweg durch eine lange Zypressenallee ist eine Art wohltuender "Prolog". Welch erhebender Anblick muss sich dem antiken Hilfesuchenden am Eingang zum Asklipion geboten haben, wenn er zum Heiligtum hinaufschaute, das sich bergauf auf mehreren ansteigenden Terrassen darbot.
Eingebettet in einen Kiefernwald bietet sich auch dem heutigen Besucher noch immer ein grandioses Bild, wenn er die breiten Treppen zwischen den Terrassen hochschreitet.
Die weissen Säulen ehemaliger Tempel auf der mittleren Terrasse heben sich farblich plastisch vor dem dunklen Grün der Kiefern ab und bieten einen leuchtenden Vordergrund vor der Kulisse des in der Ferne liegenden Meeres mit dem Ausblick auf das ehemalige ionische Festland.
Die obere Terrasse beherbergte früher einen dorischen Ringhallentempel, der dem Asklipios geweiht war. Um diesen Tempel herum befanden sich kleinere Inkubationshallen, in denen sich die hilfesuchenden Pilger zum Heilschlaf niederlegten, in der Hoffnung, die heilige Atmosphäre möge ihnen im Schlaf den Gott Asklipios erscheinen lassen, der ihnen aus dem Traum oder Unterbewußtsein die Botschaft der richtigen Behandlung zukommen ließe. Die Priester und Ärzte, oder nennen wir sie gleich Priesterärzte, versuchten am nächsten
Tag die Träume zu interpretieren, um die Heilung einzuleiten.
Mit Sicherheit mag so mancher Kranke auf diese Weise genesen sein. Auch wenn die moderne Schulmedizin dies alles als Quacksalberei abtun mag. Denken wir nur an die Botschaft Jesu, der immer wieder die Worte spricht: Dein Glaube hat dir geholfen.
Beim Anblick dieser Heilstätten kann man einfach nicht umhin, sich Gedanken um die Fragwürdigkeit heutiger Krankenhäuser mit ihrer seelenlosen Maschinerie zu machen. Und in vielen Praxen, auch in solchen, die sich biologisch nennen, geht es ähnlich zu: Viele Geräte und keine Worte.
Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.

Einige Eindrücke von der Insel
Das Asklipion ist sicher die wichtigste Sehenswürdigkeit der Insel, die sich durch vieles Grün auszeichnet. Aber es gibt noch vieles andere, das dem Besucher Freude bereitet.
Auf dem Weg zum Asklipion durchquert man den alten Ort Platani, der deswegen berühmt ist, weil hier noch viele Türken in Eintracht mit den Griechen wohnen. Um die Platia, den alten Dorfplatz, scharen sich gleich mehrere Tavernen mit türkischen Besitzern, die um die Gunst der Touristen buhlen. Sinnigerweise lockt
uns die Taverne "Asklepeion", um dort die Symbiose aus türkischer und griechischer Kochkunst zu geniessen. Der Wirt Ali und seine Söhne Hassan und Achmed sind um das Wohl ihrer Gäste mit Witz und Humor bemüht. Ein türkischer Vorspeisenteller und ein Yoghurtlu Kebab lässt Erinnerungen an frühere Reisen aus der Studentenzeit wachwerden. Allein die sanitären Verhältnisse würden die Tochter des Asklipios namens Hygieia wohl auf den Plan rufen.
Die Hauptstadt Kos ist eine selten anzutreffende, lebendige, geglückte Kombination zwischen Antike, Mittelalter und Moderne. Das grosse Kastell prägt das Hafenbild dieser quirligen Stadt und zwischen den moderne Häusern liegen die antiken Ausgrabungsstätten.
Im Kafenion namens Platanos kann man bei klassischer Musik und einem griechischem Kaffee diese gelungene Harmonie aus Vergangenheit und Gegenwart in aller Ruhe auf sich einwirken lassen.
Von Kos aus fahren täglich die Schiffe zur Nachbarinsel Nissyros. Ein Tagesausflug bringt uns hinüber. Wer den Geruch von Schwefel mag, für den ist die Fahrt zum riesigen Vulkankrater im Inneren der Insel ein Muss. Die Erde ist heiß und überall strömen schweflige Gase aus. Hier wurden manche Szenen des James-Bond-Films "Moonraker" gedreht.
Wer es heiss liebt, dem sei auf der Insel Kos der Ausflug von Kos-Stadt über die Halbinsel Psalidi zu den Empros Thermi empfohlen. Man kann sich im fast 40 Grad heissen Wasser aalen, das nur durch einige Steinwälle vom Meer getrennt ist. Nebenan in der Taverne Therma kann man anschließend beim Wirt Levtheris die griechische Gastlichkeit genießen.
Die Insel Kos ist wohl in der Ägäis das Eiland mit den meisten Fahrrädern. Ohne oft auf den übrigen Verkehr zu achten, sind sie für den Autofahrer und die vielen Motorroller nicht immer eine Freude.
Nach Rhodos und Karpathos ist es die größte Insel des Dodekanes. Eine langgestreckte Insel. Im Norden und Süden die langen Sandstrände, im Sommer sicher voller Heerscharen von Touristen.
Uns hat es besonders die kleine Stadt Mastichari in der nördlichen Mitte der Insel angetan. Der Strand ist weich und sandig, es sind wenig Touristen da, das Meerwasser ist noch warm und man sieht in einiger Entfernung die Nachbarinsel Kalymnos, die Insel der Schwammtaucher.
Einige kleine Tavernen zieren den Strand und den kleinen Hafen, eine trägt den sinnigen Namen "Kali Kardia" – Gutes Herz. Hippokrates hätte seine Freude daran.
Für uns Liebhaber der Ägäis ist es immer wieder erstaunlich, mit welch umfassender logistischer Mühe es den Griechen gelingt, ihre vielen grossen und kleinen Inseln mit allem zu versorgen, was Einheimische und Touristen brauchen und schätzen.
Auch Wanderer kommen im Gebirge auf ihre Kosten – rund drei Stunden braucht es für den normalen Fussgänger vom Bergdörfchen Zia bis auf den etwas über 800 m hohen Hauptberg der Insel.

Wer das Meer liebt, Freude an der Natur hat, kulturell aufgeschlossen ist, griechisches Essen und griechische Weine schätzt, der ist im Oktober auf der Insel Kos gut aufgehoben.

Dr. Dietrich Volkmer

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