Dr. Dietrich Volkmer
     

Eine Insel voller Mythos

Heute ist Freitag, der Tag der Venus. Im Italienischen und Französischen ist sie mit venerdi und vendredi noch präsent. Was das mit der Insel Kythera zu tun hat - darüber später. Die Überfahrt nach Kythera (griechisch Kythira) ist gebucht.
Schon lange kreist das Bild von Jean Jacques Watteau "Ile de Cythera" in meinem Kopf - heute endlich ist der Tag, um diese mythenbeladene Insel zu besuchen. Ob sie wohl so ist, wie Watteau sie sich romantisch-idealisierend vorgestellt hat?
Im Hafen von Neapoli, der kleinen geschäftigen Hafenstadt im Südwesten der lakonischen Halbinsel, des südöstlichsten Zipfels des Peloponnes, liegt unser Schiff, die "Insel Kythira". Erstaunlich, was alles in den Bauch des kleinen Schiffes hineingeht - rückwärts mit dem Auto rein, alles muss schnell gehen.
Pünktlich um acht Uhr legt das Schiff ab.
Neapoli wird kleiner, die noch etwas im Dunst liegende Insel grösser. Diese Reisen in der Ägäis mit ihren vielen Inseln haben einen schwer zu beschreibenden Zauber. Das Alte bleibt zurück, am Horizont taucht das Neue auf, unbekannt. Wie wird es wohl sein? Fast alle Inseln haben so etwas wie einen eigenen Charakter, eigene Bräuche, eine eigene Geschichte, eingebettet in das Griechentum.
Der Reiseführer beschreibt die Insel als wenig grün und als unfruchtbar. Eine angenehme Enttäuschung - an diesem Tag Ende Mai leuchtet die Insel in freundlichem Grün. Kiefern, Akazien und Eukalyptus säumen die Strassen. Ginster wächst an den Seiten, desen intensiver Duft bis ins Auto strömt.
Welch eine Wohltat - nur wenige Autos befahren die gut ausgebauten Strassen.
Im Hauptort der Insel, Chora (so heissen sie auf vielen Inseln) lädt ein Kafenion zu einem Kafes ellinikos ein, diesem herrlichen Getränk, das man entweder ohne Zucker, halbsüss oder süss bestellen kann. Am Nachbartisch sitzen schon am frühen Morgen Männer. Dass sich die nicht gerade unresoluten griechischen Frauen das gefallen lassen! Oder sind sie einfach nur froh, dass diese Kerle, die zu nichts mehr nutze sind als zum Palavern, Trinken und Zigarette rauchen, nicht im Haus sind und sie in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen können, ohne über die Beine dieser Nichtsnutze zu stolpern.

Weiter geht's auf kurviger Strasse gen Süden bis Kapsila: Eine idyllisch geschützte Bucht, ein hoher Burgberg mit Ruine und einige kleine Kirchen.
Wir parken unseren Wagen an einem Hotel namens Aphrodite und bummeln die Uferpromenade entlang. Es sind noch nicht viel Touristen da, im Hafen liegt ein Boot aus Hamburg. Ein junges Pärchen ist schon seit 3 Jahren in der Ägäis unterwegs - sie sehen etwas mitgenommen aus. Ob sie wohl wieder einen Einstieg in die sich rasant verändernde Welt finden werden?
Das kristallklare Wasser der Bucht lädt zum Baden ein. Eine Taverne mit blauen Stühlen bietet ein einfaches Mittagessen.

Nun wollen wir uns auf die Suche machen, nach den mythologischen Quellen, die die Insel so berühmt gemacht haben. Eine davon dürfte kaum zu finden sein, zu weit ragt sie in das Urdunkel der Sage hinein. Hier in der Nähe, in den warmen Wassern der Ägäis, landete die abgeschlagene Männlichkeit des Uranos. Der Täter Kronos, der damit die Herrschaft des Alten ablöste, hatte es hinter sich geworfen. Die Folgen waren etwas gänzlich Neues: Aus den Wellen des Wassers tauchte Aphrodite auf, die Göttin der Liebe und Schönheit. Aber sie musste noch ein wenig warten, bis das Schicksal ihr einen Landgang genehmigte - bei Paphos auf Zypern empfingen sie die Horen und bekränzten sie mit Blumen, bis sie zur Freude aller Götter den Olymp betrat.
Soweit zur Vorgeschichte. Aber etwas Ungeheures stellte sich auf dieser Insel ein. Getreu dem Versprechen der Aphrodite, dem Jüngling Paris die schönste Frau der Welt zu "vermitteln" wenn er ihr den Apfel der Eris, der Zwietracht, mit der Aufschrift "Der Schönsten" überreiche.
Hier im Tempel der Liebesgöttin trafen sie aufeinander, Paris, der trojanische Königssohn und Helena, die schönste Frau der Welt, deren Gatte, König Menelaos von Sparta, gerade auf Geschäftsreise in Hellas war.
Diese Begegnung und die Entführung der Schönen Helena (etwas Freiwilligkeit wird schon dabei gewesen sein) führte zu nichts Geringerem als dem Trojanischen Krieg.
Man sieht - überall in der Ägäis ist Geschichte verwoben mit Sagen und Mythen zu finden.
Wo also sind die Ruinen dieses Tempels? Durch grüne Landstriche mit Macchia und Ginster fahren wir gen Nordosten. Der kleine Fischerort Avlemonas liegt mit reizenden kleinen Häusern, teilweise im dem Ägäis-Blau geschmückt, am Ende dieser Strasse. Eine kleine Uferpromenade wurde gebaut, Bänke unter schattigen Bäumen laden zum Schauen und zum Träumen ein. Natürlich darf in einem solchen Ort etwas nicht fehlen - eine der schönsten griechischen Institutionen, nämlich die Tavernen. Ein langer Strand ist menschenleer. Kein Schild weist auf den Tempel hin und niemand weiss, wo er eigentlich liegt. Etwas enttäuscht fahren wir weiter durch kleine Orte, in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint.
Es heisst Abschied nehmen, denn die Fähre fährt früh zurück. Langsam taucht sie wieder am Horizont auf.
Es ist Freitag vor dem griechischen Pfingstfest - viele Familien strömen aus der Fähre, um das Pfingstfest hier zu verleben.

Die Insel wird kleiner. Ein letzter Blick zurück, die Sonne strebt orange-golden dem Meer entgegen. Die weissen Häuser von Neapoli werden grösser.
Das nächstemal wollen wir etwas länger verweilen.

Dr. D. Volkmer

 

 

Weitere lesenswerte Literatur des Verfassers (Nähere Informationen unter www.drvolkmer.de unter Literatur)

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