Eine
Insel voller Mythos
Heute ist Freitag,
der Tag der Venus. Im Italienischen und Französischen ist sie mit
venerdi und vendredi noch präsent. Was das mit der Insel Kythera
zu tun hat - darüber später. Die Überfahrt nach Kythera
(griechisch Kythira) ist gebucht.
Schon
lange kreist das Bild von Jean Jacques Watteau "Ile de Cythera"
in meinem Kopf - heute endlich ist der Tag, um diese mythenbeladene Insel
zu besuchen. Ob sie wohl so ist, wie Watteau sie sich romantisch-idealisierend
vorgestellt hat?
Im Hafen von Neapoli, der kleinen geschäftigen Hafenstadt im Südwesten
der lakonischen Halbinsel, des südöstlichsten Zipfels des Peloponnes,
liegt unser Schiff, die "Insel Kythira". Erstaunlich, was alles
in den Bauch des kleinen Schiffes hineingeht - rückwärts mit
dem Auto rein, alles muss schnell gehen.
Pünktlich um acht Uhr legt das Schiff ab.
Neapoli wird kleiner, die noch etwas im Dunst liegende Insel grösser.
Diese Reisen in der Ägäis mit ihren vielen Inseln haben einen
schwer zu beschreibenden Zauber. Das Alte bleibt zurück, am Horizont
taucht das Neue auf, unbekannt. Wie wird es wohl sein? Fast alle Inseln
haben so etwas wie einen eigenen Charakter, eigene Bräuche, eine
eigene Geschichte, eingebettet in das Griechentum.
Der Reiseführer beschreibt die Insel als wenig grün und als
unfruchtbar. Eine angenehme Enttäuschung - an diesem Tag Ende Mai
leuchtet die Insel in freundlichem Grün. Kiefern, Akazien und Eukalyptus
säumen die Strassen. Ginster wächst an den Seiten, desen intensiver
Duft bis ins Auto strömt.
Welch eine Wohltat - nur wenige Autos befahren die gut ausgebauten Strassen.
Im Hauptort der Insel, Chora (so heissen sie auf vielen Inseln) lädt
ein Kafenion zu einem Kafes ellinikos ein, diesem herrlichen Getränk,
das man entweder ohne Zucker, halbsüss oder süss bestellen kann.
Am Nachbartisch sitzen schon am frühen Morgen Männer. Dass sich
die nicht gerade unresoluten griechischen Frauen das gefallen lassen!
Oder sind sie einfach nur froh, dass diese Kerle, die zu nichts mehr nutze
sind als zum Palavern, Trinken und Zigarette rauchen, nicht im Haus sind
und sie in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen können, ohne über die
Beine dieser Nichtsnutze zu stolpern.
Weiter geht's auf
kurviger Strasse gen Süden bis Kapsila: Eine idyllisch geschützte
Bucht, ein hoher Burgberg mit Ruine und einige kleine Kirchen.
Wir parken unseren Wagen an einem Hotel namens Aphrodite und bummeln die
Uferpromenade entlang. Es sind noch nicht viel Touristen da, im Hafen
liegt ein Boot aus Hamburg. Ein junges Pärchen ist schon seit 3 Jahren
in der Ägäis unterwegs - sie sehen etwas mitgenommen aus. Ob
sie wohl wieder einen Einstieg in die sich rasant verändernde Welt
finden werden?
Das kristallklare Wasser der Bucht lädt zum Baden ein. Eine Taverne
mit blauen Stühlen bietet ein einfaches Mittagessen.
Nun wollen wir uns
auf die Suche machen, nach den mythologischen Quellen, die die Insel so
berühmt gemacht haben. Eine davon dürfte kaum zu finden sein,
zu weit ragt sie in das Urdunkel der Sage hinein. Hier in der Nähe,
in den warmen Wassern der Ägäis, landete die abgeschlagene Männlichkeit
des Uranos. Der Täter Kronos, der damit die Herrschaft des Alten
ablöste, hatte es hinter sich geworfen. Die Folgen waren etwas gänzlich
Neues: Aus den Wellen des Wassers tauchte Aphrodite auf, die Göttin
der Liebe und Schönheit. Aber sie musste noch ein wenig warten, bis
das Schicksal ihr einen Landgang genehmigte - bei Paphos auf Zypern empfingen
sie die Horen und bekränzten sie mit Blumen, bis sie zur Freude aller
Götter den Olymp betrat.
Soweit zur Vorgeschichte. Aber etwas Ungeheures stellte sich auf dieser
Insel ein. Getreu dem Versprechen der Aphrodite, dem Jüngling Paris
die schönste Frau der Welt zu "vermitteln" wenn er ihr
den Apfel der Eris, der Zwietracht, mit der Aufschrift "Der Schönsten"
überreiche.
Hier im Tempel der Liebesgöttin trafen sie aufeinander, Paris, der
trojanische Königssohn und Helena, die schönste Frau der Welt,
deren Gatte, König Menelaos von Sparta, gerade auf Geschäftsreise
in Hellas war.
Diese Begegnung und die Entführung der Schönen Helena (etwas
Freiwilligkeit wird schon dabei gewesen sein) führte zu nichts Geringerem
als dem Trojanischen Krieg.
Man sieht - überall in der Ägäis ist Geschichte verwoben
mit Sagen und Mythen zu finden.
Wo also sind die Ruinen dieses Tempels? Durch grüne Landstriche mit
Macchia und Ginster fahren wir gen Nordosten. Der kleine Fischerort Avlemonas
liegt mit reizenden kleinen Häusern,
teilweise im dem Ägäis-Blau geschmückt, am Ende dieser
Strasse. Eine kleine Uferpromenade wurde gebaut, Bänke unter schattigen
Bäumen laden zum Schauen und zum Träumen ein. Natürlich
darf in einem solchen Ort etwas nicht fehlen - eine der schönsten
griechischen Institutionen, nämlich die Tavernen. Ein langer Strand
ist menschenleer. Kein Schild weist auf den Tempel hin und niemand weiss,
wo er eigentlich liegt. Etwas enttäuscht fahren wir weiter durch
kleine Orte, in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint.
Es heisst Abschied nehmen, denn die Fähre fährt früh zurück.
Langsam taucht sie wieder am Horizont auf.
Es ist Freitag vor dem griechischen Pfingstfest - viele Familien strömen
aus der Fähre, um das Pfingstfest hier zu verleben.
Die Insel wird kleiner.
Ein letzter Blick zurück, die Sonne strebt orange-golden dem Meer
entgegen. Die weissen Häuser von Neapoli werden grösser.
Das nächstemal wollen wir etwas länger verweilen.
Dr. D. Volkmer
Weitere lesenswerte
Literatur des Verfassers (Nähere Informationen unter www.drvolkmer.de
unter Literatur)
Tagebücher
vom Nil
Echnaton, Nofretete, Teje
Ein Muss für alle Ägypten-Interessierten >>>
|
Viertausend
Kilometer Einsamkeit
Osterinsel, Rapa nui
Die einsamste Insel des Pazifiks
>>>
|
Die
Odyssee
Eine psychologische Reise nach Ithaka
Für alle Philhellenen und Griechenland-Besucher
>>>
|
Abschied
vom Urknall – Thesen gegen das Unwahrscheinliche
In diesem Buch setzt sich der Autor mit den verschiedenen Theorien
über die Entstehung unseres Universum auseinander, mit den Schöpfungsmythen
der antiken Völker sowie der Schöpfungsgeschichte der Bibel
und versucht vor allem, den wissenschaftlichen Anspruch eines „Urknalls“
etwas in Frage zu stellen.
Erschienen bei Books on Demand, 2006, Preis 18.50 EUR
>>>
|
Nach
oben
|