Gedanken gegen
eine zu mechanistische Denkweise in der Medizin
Der
"Zahnhalte-Apparat"
Der
besseren Formulierungs- und Bezeichnungs-Fraglichkeit habe ich die
Überschrift entsprechend gestaltet und in Parenthese gesetzt.
Es geht mir um fragwürdige Bezeichnungen.
Während meiner gesamten beruflichen Tätigkeit, die sich
immerhin über vierzig Jahre erstreckt, habe ich intraoral alles
Mögliche gesehen, vom vollständigen Gebiß über
das Lückengebiß bis hin zur Totalprothese, aber ich kann
mich nicht entsinnen, irgendwo einen "Apparat" gesehen
oder entdeckt zu haben.
Oder hatte ich vielleicht meine wissenschaftliche Brille nicht aufgesetzt?
Je nach Alter, Gesundheitszustand oder Pflege sah der Zahnzustand
entsprechend aus. Es reichte vom gesunden Zustand, und um es einmal
vereinfacht zu formulieren, über eine Gingivitis, Parodontitis
bis hin zu einer ausgeprägten Parodontose oder gar völligem
Zahnverlust. Die Zähne steckten also entweder in einem gesunden
Gewebe oder in einem krankhaft veränderten Gewebe verschiedenen
Grades.
Mir fällt es ausgesprochen schwer, dies nun als entweder gesunden
oder krankhaft veränderten "Zahnhalte-Apparat" zu
bezeichnen. Gleichgültig wie der Zustand aussehen mag: Die
Zähne stecken in einem biologischen Gewebe, sei es die Schleimhaut
oder der Kieferknochen.
Ich gestatte mir, obwohl es für manchen Zahnarzt vielleicht
altmodisch oder unwissenschaftlich klingen mag, auch in all meinen
Büchern, für diese Bereiche die Bezeichnung "Zahnbett"
zu verwenden.
Wenn man darüber einmal gründlich reflektiert, dann ergibt
das auch einen Sinn. Ein Bett ist immer eine Art Ruhestätte.
Und warum sollten sich auch die Zähne, immerhin die härteste
Körpersubstanz, nicht einmal von ihrer anstrengenden Tätigkeit
des Zerkleinern der Nahrung in diesem Zahnbett erholen können?
Die Medizin insgesamt ist von solchen Wort-Ungeheuern nicht ganz
frei.
Man denke nur an den "Bewegungsapparat". Als sei dieses
Gebilde ein Apparat, dem man Zange und Schraubenzieher zu Leibe
rücken könnte!
Das nächste Beispiel ist der "Verdauungsapparat".
Als säßen im Leibesinneren kleine Maschinen, die den
eigentlich hoch komplizierten Verdauungsvorgang maschinell bearbeiten
würden.
Wer weiß, vielleicht geht die technische Mentalität so
weit, dass man irgendwann nur noch von einem Denk-Apparat sprechen
wird.
Dr.
Dietrich Volkmer
Am Haag 13
65812 Bad Soden
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