Rauchzeichen - Gedanken zum Thema Verantwortung

Was die Leute gemeinhin ihr Schicksal nennen, sind meist ihre eigenen Dummheiten
Arthur Schopenhauer

Die Freiheit besteht in erster Linie nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten
Albert Camus

Vorspann
Deutsches Gericht weist Raucherklage ab - so war es vor einiger Zeit in allen Tageszeitungen zu lesen. Dies allein wäre im Grund kein Anlass, um darüber in diesen Internet-Seiten eine Zeile zu schreiben, wenn nicht gerade bei diesem Thema eines der essentiellen Grundprinzipien der Biologischen Medizin anklingen würde

Persönliche Vorbemerkungen
Es war im zweiten Jahr meiner Niederlassung in eigener Praxis, als ich ein Erlebnis mit einem Patienten hatte, das mir bis heute nicht aus dem Kopf geht.
Dabei handelte sich um einen ca 45jährigen Beamten, der ständig über Zahnfleischprobleme klagte und bei dem ich schon einiges zur Besserung versucht hatte. Er war ein starker Raucher und konsumierte pro Tag so ca 20 - 30 Zigaretten. Als ich ihn vorsichtig auf eine mitverursachende Wirkung des hohen Zigarettenverbrauchs ansprach, sagte er mir jenen denkwürdigen Satz: "Wissen Sie, wenn ich nicht mehr rauchen darf, dann habe ich gar nichts mehr vom Leben". Ich war ob dieser Aussage so perplex, daß ich nichts geantwortet habe. Im Stillen dachte ich bei mir (und die Gedanken sind ja bekanntlich frei) Du armes Schwein.
Ich habe das leidige Thema daraufhin ihm gegenüber nie wieder angeschnitten, konnte aber nicht umhin, mir immer wieder fragend Gedanken zu machen: Wie kann es sein, daß ein Mensch mit Gehirn und Verstand sich in eine derartige Abhngigkeit von solchen Glimmstengeln begeben konnte, daß das Glück seines Lebens allein davon abhing? Gab es nicht tausenderlei anderes, das einen Menschen beschäftigen oder ausfüllen konnte, Literatur, Theater, Musik, Sport, Hobbies, Reisen, neue Eindrücke etc als daß man seinen Lebensinhalt an einer sieben Zentimeter langen gefüllten Tabakrolle festmachen mußte.

Raucherklagen
In den USA ist die medizinische Klagefreudigkeit besonders hoch. Entweder liegt es an der Risikobereitschaft der Patienten oder an der mangelnden Auslastung der Anwälte, die sich bei einem Prozessgewinn hohe Tantiemen ausmalen.
So klagten in den Vereinigten Staaten bereits eine große Gruppe von Rauchern in Form einer Sammelklage gegen die Zigarettenhersteller. Ihr Argument: Die Zigarettenproduzenten würden in den Tabak wissentlich suchtmachende Stoffe einmischen, die den Rauchern das Abgewöhnen erschwerten. Zum Teil erhielten die Patienten, die an Herz- und Kreislaufproblemen sowie Lungenerkrankungen bis hin zum Lungenkrebs litten, von den Richtern einen Schadensersatz zugebilligt, allerdings nicht in der erwarteten Höhe.
In eine ähnliche Richtung zielten übergewichtige Frauen, die die Hamburger-Schnellrestaurants dafür verantwortlich machen wollten, daß sie so an Gewicht zugelegt hätten.
Nun sind amerikanische Verhältnisse nicht so ohne weiteres auf die deutsche Rechtsprechung zu bertragen. Wer sich einmal kurz über die manchmal abstruse USA-Jurisprudenz informieren möchte, der lese im Internet unter www.bio-net.de unter Sonstiges nach.

Klagen in Deutschland
Daher war es spannend, abzuwarten, wie deutsche Richter in ähnlichen Fällen entscheiden würden.
Ein schwerkranker 55jähriger Raucher klagte gegen die Firma Reemtsma auf Schadensersatz in Höhe von 213 000 Euro, da er seit vier Jahrzehnten von der Zigaretten-Marke "Ernte 23" abhängig sei. Früher habe er am Tag bis zu 40 Zigaretten geraucht, heute wären es "nur" noch fünf bis sieben. Der Kläger, seit längerer Zeit Frührentner, warf der Firma vor, den Zigaretten suchtfördernde Stoffe beigemischt zu haben, so daß es ihm unmöglich gewesen sei, mit dem Rauchen aufzuhören. Und das trotz der bitteren Erfahrung zweier Herzinfarkte und Bypass-Operationen.
Das Gericht stellte erst einmal in Frage, ob der Nikotinkonsum die alleinige und ausschließliche Ursache für die Herzerkrankung des Rentners gewesen sei. Denn neben dem starken Rauchen wiese er noch andere Risikofaktoren wie erhöhten Blutdruck und hohe Cholesterinwerte auf.
Aus biologisch-medizinischer Sicht müssen wir an dieser Stelle die Erkenntnisse von Prof. Lothar Wendt heranziehen, der darauf hinwies, daß Rauchen durchaus für einen erhöhten Blutdruck in Frage komme (dies soll aber kein Freibrief für den Kläger sein !). Das im Rauch enthaltene Kohlenmonoxid hat eine sechzehnmal höhere Affinität zu den Rezeptoren des Hämoglobins als der Sauerstoff. Dadurch werden Eiweißmoleküle gebildet, die vom Körper nicht abbaubar, sondern wertlos und blockierend sind. Der Organismus lagert diese großen Eiweißmoleküle auf der Kapillarbasalmembran ab, was zu einer Verdickung der Kapillarwand führt. Dadurch wird die Permeation der essentiellen Nährstoffe für das Bindegewebe oder Mesenchym erschwert, denn die Transitstrecke durch die verdickte Kapillarwand ist jetzt länger und die Poren der Wände sind teilweise verstopft. Als physiologische, wenn auch im Gesamthinblick als pathologische Reaktion muß jetzt der Körper zur Verbesserung der peripheren Durchblutung und der Ernährung der Parenchymzellen via Mesenchym den Blutdruck reflektorisch erhöhen. Eine überhöhte Eiweißzufuhr (Wendt spricht von einer "Eiweißmast") verstärkt diesen Effekt noch.
Das Landgericht in Arnsberg hat die Klage des Rauchers erst einmal abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz, da ein rechtswidriges Verhalten des Tabakkonzerns nicht erkennbar sei. Weiterhin fügte der Richter hinzu, daß sich der Mann seine Gesundheitsschäden "durch sein eigenverantwortliches Verhalten selbst zuzuschreiben habe".
Im übrigen sei die Herstellung und der Vertrieb von Zigaretten vom Gesetzgeber ausdrücklich erlaubt (Zusatz des Autors: Bundesfinanzminister Eichel würde die Tabaksteuer in seinem ohnehin angeschlagenen Budget sehr schmerzhaft vermissen, daher käme kein Gesetzgeber auf die Idee, Rauchwaren zu verbieten). Eine Beimischung von verbotenen Suchtstoffen sei vom Kläger argumentativ nicht deutlich gemacht geschweige denn bewiesen worden. Ammoniak und Acetaldehyd entstünden erst durch das Verbrennen zulässiger Zusatzstoffe, vor allem Zucker.
Ferner befand das Gericht: Trotz der von ihnen ausgehenden Gesundheitsgefahren seien Zigaretten keine fehlerhaften Produkte. Desgleichen lag kein Instruktionsdefizit vor, denn gemäß dem inzwischen verschärften EU-Recht wird auf die Gefahren des Rauchens auf den Schachteln explizit hingewiesen. Somit seien die Risiken des Rauchens den Konsumenten hinreichend bekannt und würden von ihnen "bewußt in Kauf genommen".

Konsequenzen
Niemand kann dem einzelnen Menschen, dem Individuum, das Recht auf Selbstgefährdung absprechen. Er kann sich dem Alkohol bis zum Exzess zuwenden, er kann zuviel essen, er kann gefährliche Kraxeltouren in den Bergen veranstalten, er kann Gleitschirm fliegen, halsbrecherisch im Tiefschnee fahren, jede Menge Tabletten schlucken und genausogut auch rauchen. Dieses Recht darf aber nicht soweit überzogen werden, daß andere darunter zu leiden haben. Daher sind beispielsweise rauchfreie Zonen in Restaurants, in öffentlichen Verkehrsmitteln und auch am Arbeitsplatz zu begrüßen.
Es kann aber aus eigenen Fehlverhalten kein Haftungsanspruch gegenüber dritten oder Herstellern abgeleitet werden.
Jeder in der Medizin tätige kann sicher ein Lied davon singen, wie schnell Patienten für eigene, offensichtlich selbst verursachte Probleme andere verantwortlich machen. Das ist immer einfacher als die Schuld, was immer das auch sein mag, bei sich zu suchen. In einer langen Anamnese wird immer irgendein Therapeut auftauchen, der angeblich etwas übersehen oder falsch therapiert hat. Da klagt eine starke Raucherin über ständige Bronchitis, ein anderer macht den Zahnarzt für seine Karies verantwortlich, die wegen seiner starken Naschsucht immer wieder aufblüht.
Man denke an die Klage eines an Diabetes erkrankten Mannes gegen den Hersteller eines Schokoriegels. Jedermann sollte bekannt sein, daß in der Schokolade Zucker enthalten ist und in einer Zigarette eben Teer und Nikotin.
Etwas ganz anderes stellen natürlich eindeutig nachgewiesene medizinische Kunstfehler dar.
Hinzu kommt noch ein entscheidender weiterer Faktor: Es ist die Schädigung der Solidargemeinschaft. Krankenkassen und Versicherungen stellen eine Absicherung gegen mögliche Risiken dar. Wer bewußt Risiken in Kauf nimmt, aus egoistischen Motiven oder, um es neudeutsch auszudrücken, um "Fun" zuhaben, stellt seinerseits ein Risiko für andere, sich gesundheitsbewußt verhaltende Mitbürger, dar, deren Beiträge von ihm mißbraucht werden. Man denke einmal, welche Kosten den Versicherungen für die beiden Herzoperationen aufgebürdet wurden.

Eigenverantwortung
Gerade in der Biologischen Medizin können wir sehr oft beobachten, daß sich Patienten aus der Bevormundung durch die Kassen- und Schulmedizin herauslösen und zur Eigeninitiave greifen - ein erfreulicher Zustand.
So ist es zu begrüßen, daß deutsche Richter ähnlich denken und nicht der normalen Schuld-Abschiebe-Praxis Tür und Tor öffnen.
Man stelle sich einmal plastisch mögliche weiterführende, bewußt übertriebene Konsequenzen vor.
Ein internetsüchtiger Mann will die Telekom (oder einen anderen Zugangsanbieter) verklagen, da er sich beim Surfen auf dubiosen Seiten einen Virus zugezogen hat.
Ein Alkoholiker versucht die deutschen Bierbrauer juristisch zu belangen, da er sich durch übermässigen Konsum einen Leberschaden zugezogen und obendrein durch erhöhte Promille seinen Führerschein verloren habe, alles Folgen, auf die er nicht hingewiesen worden sei und die zudem auf den Bierflaschen und am Bierthresen nicht vermerkt seien.
Ein Autofahrer verklagt nach einem schweren, durch Raserei verursachten Unfall den Hersteller, weil in dessen Gebrauchsanweisung nicht ausdrücklich auf die Gefahr hoher Geschwindigkeit hingewiesen hat.
Ein Mörder geht juristisch gegen einen Messerhersteller vor, weil auf der Packung nicht die Möglichkeit als Mordwaffe angegeben war.
Sie mögen über diese Extrembeispiele vielleicht etwas schmunzeln. Na ja, werden Sie sagen. Aber der Phantasie der Menschen sind in dieser Beziehung manchmal keine Grenzen gesetzt.
Auf unser spezielles Thema, die Biologische Medizin, übertragen, bedeutet dies:
Jeder Mensch ist im Grunde für das verantwortlich, was er tut und lässt. Je eher ein Mensch zu dieser Erkenntnis kommt, desto eher kann so etwas stattfinden wie Wesensänderung, Bewusstseinserweiterung, Gesundung oder Heilung. Die Projektion von Schuld auf andere ist der sicherste Weg, um nicht aus Schwierigkeiten gesundheitlicher Art herauszukommen.

Dr. Dietrich Volkmer

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